Lesen Sie in OVB Online vom 15. Juni 2015:

Das Amtsgericht Rosenheim verurteilte einen 21-jährigen Paketfahrer wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 600 Euro und einer Führerscheinsperre von sieben Monaten. Das Verfahren wegen Unterschlagung wurde eingestellt, weil die Strafe, die er wegen der anderen Taten, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erschienen.

Rosenheim – Die Trennung von der Freundin und ein immenser Zeitdruck bei seiner Tätigkeit als Paketfahrer ließen das Leben des bis dahin völlig unbescholtenen Ungarn, der seit drei Jahren in Deutschland lebt, kurzzeitig aus den Fugen geraten. Innerhalb weniger Monate flatterten ihm gleich drei Strafbefehle wegen Unterschlagung, vorsätzlicher Körperverletzung und Trunkenheit im Verkehr ins Haus. Die Körperverletzung, bei der er im Januar in einer Rosenheimer Diskothek einem Autolackierer eine Kopfplatzwunde zugefügt hatte, räumte der Angeklagte ein und übergab dem Geschädigten noch im Gerichtssaal im Rahmen eines Täter-OpferAusgleichs 200 Euro Schmerzensgeld. Der 33-jährige Geschädigte schilderte vor Gericht, dass ihm der damals betrunkene Angeklagte auf der Toilette völlig unvermittelt mit der Hand gegen die Stirn geschlagen und er großes Glück gehabt habe, dass er wegen der Wucht des Schlags nicht mit dem Kopf gegen den Händetrockner geprallt sei.

Im März war der Angeklagte dann in den frühen Morgenstunden mit seinem DHL-Transporter auf der Kolbermoorer Straße unterwegs und geriet dabei ins Visier einer zivilen Polizeistreife. Die Beamten sagten vor Gericht, dass der Angeklagte in Schlangenlinien auch auf die Gegenfahrbahn gefahren sei, spät an einer roten Ampel gestoppt habe und bei grün verzögert losgefahren sei. Nachdem er auf das polizeiliche Stopp-Signal nicht reagiert hatte, überholte ihn die Streife und stellte das Fahrzeug auf der Fahrbahn quer, um ihn anzuhalten. Bei der Kontrolle fiel dem Beamten auf, dass der Fahrer „ordentlich getrunken hatte“. Er habe deutliche Ausfallerscheinungen gezeigt, sei gewankt und die Sprache sei verwaschen gewesen. Acht Versuche brauchte er bis der Atemalkoholtest schließlich gelang und ein Ergebnis von rund 1,1 Promille ergab. Die Beamten hatten den Eindruck, dass der Angeklagte bei der anschließenden Blutentnahme die Belehrung sehr wohl verstanden hatte. Auch weil er Angaben zu seiner Blutarmut und Allergien machen konnte und mit den Worten „Blut nix Problem“ dem Arzt bereitwillig seinen Arm entgegenstreckte.

Rechtsanwalt Andreas Leicher beanstandete die Blutentnahme ohne richterliche Anordnung und ohne Gefahr in Verzug. Er beantragte die Beweisverwerfung auch wegen der schlechten Deutschkenntnisse seines Mandanten und die Ladung des Beifahrers als weiteren Zeugen. Damit sollte bewiesen werden, dass der 21-jährige nicht absolut fahruntüchtig war.

Beweisverwerfung abgelehnt

Richterin Verena Köstner lehnte Beweisverwerfung und Beweisverfahren ab, weil die Beweistatsachen als wahr angesehen und ausreichende Deutschkenntnisse unterstellt wurden.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft war der Ansicht, dass der Angeklagte mit knapp unter 1,1 Promille deutliche Ausfallerscheinungen gezeigt habe, die das weitere Vorgehen der Polizei rechtfertigten. Er ging davon aus, dass eine Kommunikation durchaus möglich war. Zugunsten des Angeklagten wertete er, dass er bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten und weitgehend geständig war. Außerdem habe es sich nur um eine kurze Fahrstrecke gehandelt.

Im Körperverletzungsverfahren habe ein Täter-OpferAusgleich stattgefunden, deshalb forderte er eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 15 Euro und eine neunmonatige Führerscheinsperre.

Der Verteidiger betonte, dass das Verfahren wegen Unterschlagung völlig zurecht eingestellt wurde, weil sein Mandant unter dem enormen Zeitdruck mit rund 2000 Paketsendungen im Monat Fehler bei der Auslieferung von einem Smartphone im Wert von 300 Euro und einem iPod im Wert von 174 Euro gemacht und dafür mit einem Lohnabzug von 500 Euro je Sendung vom Arbeitgeber ohnehin schon bestraft worden sei. Die Körperverletzung habe sein Mandant eingeräumt und Schmerzensgeld gezahlt. Allerdings habe er Zweifel an der absoluten Fahruntüchtigkeit. Das Blaulicht und das Anhalte-Signal hätten den Angeklagten irritiert. Nachdem sich der 21-Jährige mit einem Fahrdienst selbstständig gemacht habe, gehe es um die wirtschaftliche Existenz. Deshalb beantragte er für seinen Mandanten in diesem Punkt einen Freispruch. Für die Körperverletzung sah er eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen als angemessen.

Für Richterin Verena Köstner war der Entzug der Fahrerlaubnis zwingend notwendig. Die wirtschaftliche Situation, Geständnis und Täter-Opfer-Ausgleich seien mit der sehr niedrigen Tagessatzhöhe von zehn Euro sehr zugunsten des Angeklagten gewertet worden und auch bei der Sperrdauer von sieben Monaten habe das Gericht Milde walten lassen, hieß es in der Urteilsbegründung.

http://www.ovb-online.de/rosenheim/rosenheim-stadt/mildes-urteil-nach-schlechter-phase-5100014.html

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