Lesen Sie in OVB Online vom 1. März 2013:
Rosenheim – Seit 1999 war der Angeklagte, der sich jetzt mit seinem Geschäftspartner vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Jacqueline Aßbichler wegen Diebstahls zu verantworten hatte, bei einer Rosenheimer Brauerei als Bierfahrer angestellt. Produkt-Schwund durch Bruch und andere unvermeidbare Produktionsabläufe sei laut Geschäftsführung nicht zu verhindern, doch die Defizite, die seit 2006 deutlich wurden, seien damit nicht mehr zu erklären gewesen. „In den Betriebsversammlungen habe ich deutlich gemacht, dass es im Betrieb einen oder mehrere Diebe geben muss“, erinnerte sich der Geschäftsführer in der Verhandlung. Das habe das Klima im Betrieb erheblich belastet. Das Ansinnen des 44-jährigen Angeklagten, die entstandenen Verluste im Betrieb abarbeiten zu wollen, wies der Vertreter der Brauerei als Zumutung zurück. „Das würde kein anderer Mitarbeiter verstehen.“
Im Laufe der Jahre hatte der Angeklagte in über 260 Fällen Bier und alkoholfreie Getränke im Wert von weit über 100000 Euro gestohlen. Dazu kommen enorme Verluste für das entwendete Leergut. Der mitangeklagte 40-jährige Kaufmann aus Rosenheim erklärte, alles habe damit angefangen, dass ihm der Haupttäter seinen „Haustrunk“, die verbilligten Getränke für Mitarbeiter, preiswert verkaufte. Er entdeckte dies als lukratives Geschäftsfeld und hielt den Freund an, mehr als geordert aufzuladen. In einer Garage deponierte der Bierfahrer die zusätzliche Ladung und der Geschäftspartner verkaufte sie von dort weiter. Bald fand sich auch ein Gastwirt, der den attraktiven Preisen nicht widerstehen konnte. Regelmäßig wurden an die 20 Kisten pro Woche zusätzlich aufgeladen und die Fehlbestände in der Brauerei nahmen überhand.
Gesamten Umfang umgehend zugegeben
Als der Angeklagte in Verdacht geriet und von der Polizei vernommen wurde, war er sofort geständig. Er offenbarte umgehend den gesamten Umfang seiner Diebstähle, die im Einzelnen über die Jahre schwerlich zu beweisen gewesen wären. Auch sein Mittäter war unverzüglich geständig. Dieser hatte schon vor der Verhandlung mit der Brauerei ein Schuldanerkenntnis dokumentiert und einen Betrag von 80000 Euro als Wiedergutmachung bezahlt. Dazu war der ehemalige Bierfahrer zwar ebenfalls bereit, aber finanziell nicht in der Lage. Er akzeptierte eine Schuldanerkenntnis, die der bestohlenen Brauerei zumindest einen Schuldtitel verschafft.
Die Staatsanwältin verwies darauf, dass wegen der Verjährung in diesem Fall nur die Taten seit 2011 verfolgt werden könnten. Strafmildernd zählte sie auf, dass beide Angeklagten umfassend geständig gewesen waren, nicht vorbestraft seien und zur Schadenswiedergutmachung bereit gewesen seien. Die beantragte Gefängnisstrafe könne man zur Bewährung aussetzen. Dem früheren Bierfahrer hielt sie insbesondere vor, dass er das große Vertrauen seines Arbeitgebers so arg missbraucht habe. Er solle für zwei Jahre hinter Gitter, sofern er sich in einer Bewährungszeit von vier Jahren auch nur das Geringste zu Schulden kommen lasse. Für den zweiten Angeklagten, der zumindest seinen Teil des entstandenen Schaden ersetzt und sich als Außenstehender nicht dieses Vertrauensbruches schuldig gemacht habe, beantragte sie 20 Monate.
Der Verteidiger des Haupttäters, Rechtsanwalt Andreas Leicher, stimmte der Staatsanwältin im Wesentlichen zu. Ihm war vorrangig die Chance einer Bewährung für seinen Mandanten wichtig. Der Verteidiger des Abnehmers, Rechtsanwalt Christian Schluttenhofer, hielt eine Bewährungsstrafe von 16 Monaten für angemessen.
Das Gericht bedauerte sehr, dass die offensichtliche Wertschätzung des Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitern derart schändlich missbraucht worden war. Es verurteilte den Dieb zu einer Gefängnisstrafe von 22 Monaten, seinen Mittäter zu 18 Monaten Gefängnis. Beide Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Für den Haupttäter mit der Maßgabe, dass er in Raten den entstandenen Schaden ebenfalls wieder gutmachen muss. In der Brauerei sorgt nun ein Disponent dafür, dass es Diebe dort nicht mehr so einfach haben. au
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