Lesen Sie den Bericht in OVB Online vom 28. März 2017:

Ein Toter und vier zum Teil schwer Verletzte – so lautete die traurige Bilanz eines Verkehrsunfalls vom vergangenen September bei Raubling. Jetzt wurde der Unfallfahrer zu einer Jugendstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Außerdem muss der 21-Jährige für zwei Jahre seinen Führerschein abgeben.

Rosenheim/Raubling – Bei dem tragischen Unfall war am 4. September ein 20-jähriger Mann ums Leben gekommen, vier weitere junge Leute im Alter zwischen 17 und 19 Jahren wurden zum Teil schwer verletzt. Zuvor hatte der Unfallfahrer schon bei Rohrdorf eine Autofahrerin bei einem riskanten Überholmanöver in Bedrängnis gebracht. Das Jugendschöffengericht Rosenheim verurteilte den 21-Jährigen aus Bruckmühl nun wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und verhängte eine zweijährige Führerscheinsperre.

„Ich bereue zutiefst und würde alles dafür geben, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte“, erklärte der 21-jährige Unfallfahrer unter Tränen. Er habe bei dem Unfall seinen besten Freund verloren, und dafür wolle er geradestehen. Auch wenn er sich an das genaue Tempo nicht mehr erinnern könne, sei er zu schnell gefahren. Daran gebe es nichts zu beschönigen.

Rückblickend sei ihm sein Verhalten unerklärlich. Nun müsse er mit dieser Schuld leben. Deshalb sei er dankbar, dass er von der Familie des Getöteten und den Unfallbeteiligten nicht angefeindet werde, sagte der Angeklagte mit Blick auf die Mutter des 20-Jährigen, die als Nebenklägerin auftrat.

Nach einem Wiesn-Besuch habe er erst Freunde heimgefahren und anschließend mit anderen Spezln eine Spritztour in seinem neuen 150 PS starken Mazda unternommen. Vermutlich habe er dabei sein fahrerisches Können überschätzt.

Laut Anklage war der Bruckmühler gegen Mitternacht mit etwa 140 Stundenkilometern und drei Mitfahrern in Richtung Rohrdorf unterwegs. Etwa auf Höhe des Weingeschäfts Casa Cavallo – dort gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 km/h – habe er trotz des unübersichtlichen Streckenverlaufs eine 41-jährige Neubeurerin überholt. Nur mit Mühe habe sie einen Zusammenstoß vermeiden können, so die Zeugin. Danach habe der Fahrer einen unverantwortlichen Schlenker nach links gemacht und „alles und jeden überholt“.

„Alles und jeden überholt“

Seine Mitfahrer sagten vor Gericht übereinstimmend aus, dass der Angeklagte viel zu schnell gefahren sei. Die 19-jährige Beifahrerin berichtete, dass die Geschwindigkeitsanzeige am Ortseingang Rohrdorf 100 km/h gezeigt habe.

Nachdem der Angeklagte die Freunde abgesetzt hatte, traf er in Raubling drei 19- beziehungsweise 20-jährige junge Männer und eine 17-jährige Frau aus dem Freundeskreis. Aus einer Laune heraus habe man beschlossen, mit dem neuen Auto eine Runde zu drehen, sagte ein 19-jähriger Raublinger, der von dem Unfall schwere Verletzungen davontrug. Jeder habe ein bisschen getrunken, und die Stimmung im Auto sei gut gewesen. „Wir haben die Beschleunigung des Autos geil gefunden.“ Als gefährlich habe er den Fahrstil des Freundes jedoch nicht empfunden. Laut Aussagen der Zeugen war der Angeklagte auch auf der Staatsstraße 2363 im Gemeindebereich Raubling mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs. Kurz nach der Autobahnausfahrt Reischenhart kam das Fahrzeug in einer langgezogenen Rechtskurve nach links von der Fahrbahn ab und prallte gegen mehrere Bäume. Durch die Wucht des Aufpralls wurde der Motorraum vollständig zertrümmert und nach hinten geschoben.

Für den 20-jährigen Beifahrer, der im Wagen eingeklemmt wurde, kam jede Hilfe zu spät; er starb noch an der Unfallstelle. Der Unfallverursacher sowie die weiteren Insassen erlitten zum Teil schwere Verletzungen.

Laut Gutachter ließen die Bremsspuren auf ein Tempo zwischen 95 und 110 km/h schließen. Erlaubt sind auf diesem Streckenabschnitt erst 70 dann nur noch 50 km/h. Zudem sei die zum Überholen erforderliche Sichtweite von 400 Metern nicht gegeben gewesen. Technische Mängel konnten nicht festgestellt werden. Ein mögliches Chiptu ning konnte der Sachverständige aufgrund der starken Beschädigung nicht bestätigen.

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Staatsanwalt Dr. Oliver Mößner bewertete das Verhalten des Angeklagten als grob fahrlässig und forderte eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zur Bewährung sowie eine Führerscheinsperre von zwei Jahren. Für den Angeklagten sprächen dessen umfassendes Geständnis und sein tadelloser Lebensweg. Zudem sei er selbst verletzt worden und habe den Verlust des Freundes zu verkraften. Dr. Mößner folgte damit den Ausführungen der Jugendgerichtshilfe, wonach aufgrund der Lebensumstände das Jugendstrafrecht angewandt werden sollte. Laut der sozialpädagogischen Einschätzung ist der Angeklagte tief schockiert und benötige für die Aufarbeitung des Unglücks therapeutische Hilfe.

Verteidiger Andreas Leicher forderte in seinem Schlussvortrag, eine Jugendstrafe zur Bewährung auszusetzen. Sein Mandant wolle für seine Fehler geradestehen, und eine Strafe dafür sei selbstverständlich. Allerdings sei zu bedenken, dass der 21-jährige selbst traumatisiert sei und Trost brauche. Zur Herbstfestzeit sei er nüchtern geblieben und habe Freunde heimgefahren. Dabei habe er wohl ein gewisses „Imponiergehabe“ an den Tag gelegt – mit tragischen Folgen.

Für die Mutter des Todesopfers machte Rechtsanwalt Dr. Herzog deutlich, dass es sich um kein Augenblicksversagen, sondern um ein Fehlverhalten mit mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen über einen längeren Zeitraum gehandelt habe. Ohne einen konkreten Antrag stellte der Anwalt der Nebenklägerin fest, dass der Führerschein einzuziehen sei und eine entsprechend lange Sperre verhängt werden müsse.

Das Jugendschöffengericht blieb am Ende unter der Forderung des Staatsanwalts, hob aber die Schwere der Schuld hervor. Der Angeklagte habe Warnwirkungen ignoriert und sei viel zu schnell und zu riskant gefahren. Er sei aber bereit, die Konsequenzen zu tragen, so Richterin Verena Köstner. Weil sich der Angeklagte bisher weder verkehrs- noch strafrechtlich etwas zu Schulden kommen lassen habe, könne die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Von Auflagen könne man dabei absehen, da Schuldgefühle länger wirkten als jede Arbeitsauflage oder ein Fahrsicherheitstraining.

https://www.ovb-online.de/rosenheim/bewaehrung-nach-todesfahrt-8042119.html

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