Mehrere Apotheken in der Region betroffen: Weil sich eine Frau (34) aus Kolbermoor und ein Mann aus Rosenheim (46) Medikamente mit falschen Rezepten ergaunerten, mussten sie sich vor Gericht verantworten. Warum der Angeklagte für einen Lacher sorgte. Was den beiden nun droht.
Rosenheim – Beim 16. Mal flog der Schwindel auf. Zuvor holten sich eine 34-jährige Verkäuferin aus Kolbermoor und ein 46-jähriger Rosenheimer im Oktober und November 2021 in 15 Fällen bei Apotheken in Rosenheim, Kolbermoor und München Fentanyl und Pregabalin ab – mit gestohlenen Arzneirezepten. Auf die Spur der beiden kam die Polizei, da einem Arzt aus Mühldorf, der den Verlust umgehend gemeldet hatte, im Herbst 2021 eine Vielzahl von Rezeptvordrucken entwendet wurden. Die Frau und der Mann waren aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit bereits polizeibekannt und kannten sich aus der Szene. Nun mussten sie sich vor dem Amtsgericht Rosenheim verantworten.
Angeklagte Rezeptfälscher mit Geständnis
Zunächst war die Frage, ob man für den Mann einen Dolmetscher braucht. Zwar ist der gebürtige Russe seit 23 Jahren in Deutschland, es war aber zunächst nicht sicher, ob er der Verhandlung wirklich folgen könne. Da auf die Schnelle kein Dolmetscher verfügbar war, nutzte man die Zeit für ein Rechtsgespräch, nachdem klar war, dass der Mann die Anklageschrift verstanden hatte.
Die Verteidiger – für den Mann Andreas Leicher und für die Frau Harald Baumgärtl – stellten daraufhin ein umfassendes Geständnis in Aussicht. Da die Kolbermoorerin sich bereits seit längerer Zeit in Substitution und Entzug befindet, darüber hinaus auch einer geregelten Arbeit nachgeht, einigte man sich schnell auf eine Bewährungsstrafe.
Lange Vorstrafenliste beim Rosenheimer
Schwieriger erschien dies bei dem Mann, der ein langes Vorstrafenregister mitbrachte. Auf die Frage, wann er zuletzt gearbeitet habe, meinte er, er sei praktisch immer in Haft gewesen. Weil sich aber herausstellte, dass er noch niemals eine Therapie gemacht hatte, konnte dies als „besonderer Umstand“ gewertet werden. Das machte ebenfalls eine Strafaussetzung zur Bewährung möglich. Schließlich war dessen kriminelle Karriere praktisch ausschließlich auf dessen Drogenabhängigkeit zurückzuführen.
Die Vertreterin einer Krankenkasse berichtete, wie die Fälschungen bei ihnen auffällig geworden waren und wie man diese den Angeklagten zuordnen konnte. Dabei sei für die Krankenkasse ein Schaden von rund 1900 Euro entstanden. Als es um die Einbehaltung und um die Aushändigung der konfiszierten Medikamente ging, meinte der Angeklagte zur Erheiterung des Gerichtssaals, dass er die Tabletten gerne wieder hätte. Darauf antwortete die Vorsitzende Richterin Isabella Hubert, dass sie sich seinetwegen nicht strafbar machen wolle.
Bewährungsstrafe trotz großem Bedenken
Die Staatsanwältin betonte daraufhin, dass aus den vorliegenden Fällen doch eine enorme kriminelle Energie aufscheine. Sie beantragte daher – auch aufgrund der erreichten Verständigung mit allen Beteiligten – gegen die Frau eine Haftstrafe von 22 Monaten und gegen den Mann eine solche von 24 Monaten. Beide Strafen seien zur Bewährung auszusetzen, wobei sie dies bei dem Angeklagten nur unter größten Bedenken befürworten könne.
Der Verteidiger des Rosenheimers gestand zu, dass sein Mandant mit einer langen Liste an Vorstrafen als Bürde behaftet sei. Er gab aber auch zu bedenken, dass es wohl einer schwierigen und langwierigen Beweisaufnahme bedurft hätte, wäre sein Mandant nicht komplett geständig gewesen. Insoweit sei dessen Einsicht doch sehr wertvoll gewesen. Er beantragte eine Haft von 22 Monaten, die man zur Bewährung aussetzen möge.
Therapie soll beiden helfen
Rechtsanwalt Baumgärtl unterstrich die Ausführungen seines Kollegen. Auch seine Mandantin habe eine Drogenhistorie und entsprechende Vorstrafen – wen auch weniger als der 46-Jährige. Darüber hinaus sei sie aber – wie belegt – seit eineinhalb Jahren ohne Rückfälle in einer Therapie, stets in festen Arbeitsverhältnissen und so sei eine positive Sozialprognose gewährleistet. Daher seien 20 Monate Haft, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden, ausreichend.
Das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richterin Isabella Hubert entschied, dass gegen den Angeklagten eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und gegen die Angeklagte eine solche von 21 Monaten verhängt würde. Beide Strafen werden zur Bewährung ausgesetzt. Dazu wurden die Drogenabstinenz und die notwendigen Therapiemaßnahmen angeordnet. Insbesondere dem Rosenheimer redete sie ins Gewissen. Denn, dass diesem bei seinen Vorstrafen noch einmal eine Bewährung ausgesprochen wurde, sei mehr als ungewöhnlich. Einzig die Tatsache, dass ihm noch niemals mit einer Therapie geholfen wurde, habe eine solche Entscheidung ermöglicht. Er möge dies als eine letzte Chance sehen und wahrnehmen.