Vor dem Rosenheimer Schöffengericht musste sich jetzt ein Ehepaar verantworten, das wegen diverser Delikte vorbestraft ist. Die Anklage lautete auf Urkundenfälschung und Betrug. Die beiden haben eine tragische Vorgeschichte. Müssen sie nun ins Gefängnis?

Großkarolinenfeld – Der Ehemann, ein 44-jähriger Systemgastronom, war bis vor vier Jahren ein Mann, gefangen im Körper einer Frau. Durch zahlreiche Operationen wurde er schließlich rechtlich und behördlich als Mann anerkannt. Im Zuge dieser Umwandlung musste er zahlreiche medizinische Eingriffe über sich ergehen lassen, die zweifellos eine außergewöhnliche Belastung darstellten, unter der er physisch und psychisch litt.

Gefälschte Dokumente bei Mieter vorgelegt

Die mitangeklagte Ehefrau, eine 42-jährige Servicekraft, musste bis vor Kurzem befürchten, mit einem Krebstumor im Kopf zu leben. Inzwischen hat sich der Tumor als nicht bösartig herausgestellt, was aber nur bedingt als Erleichterung gewertet wurde.

Das Paar hatte eine Wohnung angemietet und dafür im November 2019 gefälschte Dokumente wie Einkommensnachweise, eine positive Schufa-Auskunft und eine ungültige Kautionsversicherung vorgelegt. Dies wäre nicht aufgefallen, hätte der Angeklagte nicht im Juni 2020 wegen Covid 19 seinen Job verloren und deshalb seine Mietzahlungen eingestellt.

Hohe Mietrückstände aufgelauen

Der Vermieter überprüfte daraufhin die Unterlagen, die sich alle als Fälschungen herausstellten. Da die Angeklagten erst kurz vor der Räumung durch den Gerichtsvollzieher im Dezember 2020 aus der Wohnung ausgezogen waren, waren auch entsprechende Mietrückstände aufgelaufen. Die Rechtsanwälte Dr. Marc Herzog und Andreas Leicher versuchten in einem Rechtsgespräch deutlich zu machen, dass ihre Mandanten keinerlei Betrugsabsicht gehabt hätten, da ihre Zahlungsunfähigkeit erst durch den unvorhersehbaren Umstand der Pandemie eingetreten sei.

Die Fälschungen wurden zwar zugegeben, aber eine Gewinnerzielungsabsicht sei damit nicht verbunden gewesen. Dem konnten sich weder die Staatsanwaltschaft noch das Schöffengericht anschließen. Allein die Fälschungen würden die Betrugsabsicht belegen, da es sonst gar nicht zu einer Vermietung gekommen wäre. Zudem belasteten den Angeklagten zwei offene Bewährungsstrafen. Und zwar wegen eines nahezu identischen Vorwurfs. Auch beim vorherigen Vermieter – unweit dieser Wohnung – hatten sich die beiden betrügerisch eingemietet. Was bei diesem angeklagten Vorfall zu einer Bewährungsstrafe führte.

Viele Vorstrafen angesammelt

Doch damit nicht genug. Der Ehemann, damals noch eine Frau, hatte in 22 Jahren 16 Vorstrafen angesammelt. Er hatte auch schon Gefängnisaufenthalte hinter sich. Nicht viel besser die Angeklagte: Auch sie hatte in 20 Jahren 10 Vorstrafen gesammelt. Bei beiden dominierten Betrug und Diebstahl. Die Bewährungshelferin berichtete zwar von einem tadellosen Bewährungsverlauf. Doch das konnte den Staatsanwalt nicht milde stimmen.

In seinem Schlussplädoyer zeigte er sich überzeugt, dass es sich hier um unbelehrbare Täter handle, denen nur mit unbedingten Strafen beizukommen sei. „Wer unter zweifach offener Bewährung einschlägige Straftaten begeht, kann keine Nachsicht oder gar Milde des Gerichts erwarten“. Er beantragte, gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu verhängen. Die Angeklagte solle zu 21 Monaten Gefängnis verurteilt werden. Für beide könne und dürfe es keine Bewährung geben.

Auf Bewährungsstrafen plädiert

Der Verteidiger Dr. Herzog verwies auf das Geständnis des Angeklagten und darauf, dass es nie seine Absicht gewesen sei, einen Einmietbetrug zu begehen. Er wies auch darauf hin, dass das Landgericht Traunstein in der Vorverurteilung eine Bewährungsstrafe ausgesprochen habe und sein Mandant seither tatsächlich nicht mehr straffällig geworden sei, sodass sich seine Sozialprognose nicht verschlechtert, sondern im Gegenteil verbessert habe.

Er beantragte, seinen Mandanten wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten zu verurteilen und diese letztmals zur Bewährung auszusetzen. Rechtsanwalt Andreas Leicher verwies auf die untergeordnete Rolle, die seine Mandantin bei den angeklagten Vorfällen gespielt habe und dass ohne die unheilvolle Pandemie heute niemand hier vor Gericht säße. Er beantragte eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden sollte.

Bewährung wegen minderjähriger Kinder

Das Rosenheimer Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Matthias Knoblauch erkannte jedoch auf Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug. Es sah sich nicht in der Lage, gegen den Angeklagten noch einmal eine Bewährungsstrafe zu verhängen, da er bereits zweimal zur Bewährung ausgesetzt worden war.

26 Monate Freiheitsstrafe lautete das Urteil. Die nur mit einer Bewährungsstrafe vorbestrafte Ehefrau erhielt als Mutter von zwei minderjährigen Kindern eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

 

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