Hat der Berufssoldat (31) den „Ganggerl“ im Fellgewand vor ihm bewusst angefahren oder ist ihm dieser ins Auto gesprungen. Diese Frage hatte nun das Laufener Amtsgericht zu klären. Das Urteil im ungewöhnlichen Gerichtsstreit ist gefallen:

Berchtesgaden/Laufen – War es so wie es das „Ganggerl“ der Berchtesgadener Bass vor Gericht schilderte? War der 31-jährige Berufssoldat in seinem VW-Bus bewusst auf den mit Ziegenfell bekleideten und behornten 26-Jährigen zugefahren und hat ihn auf die Motorhaube „geschaufelt“? Oder hatte der angeklagte Soldat am Steuer lediglich einen „Schlag“ gegen sein Fahrzeug und Rutenschläge an die Windschutzscheibe vernommen und sich dann entfernt? Nach den Zeugenaussagen und dem Bericht des Sachverständigen am Laufener Amtsgericht war das Gericht von fahrlässiger Körperverletzung und einem unerlaubten Entfernen vom Unfall überzeugt. Das Urteil: 90 Tagessätze à 90 Euro.

Gutachter stellte geschildertes Geschehen nach

Wie berichtet, wollte die Buttenmandl-Bass am Abend des 5. Dezember letzten Jahres die Bavaria-Kreuzung in Berchtesgaden überqueren. Ein Mitglied der 20-köpfigen Gruppe warnte mit ausgebreiteten Armen die Verkehrsteilnehmer auf der Bundesstraße. Darunter der Soldat in seinem VW T5. Der war wie angewiesen zunächst auf die Sperrfläche ausgewichen, dann aber doch weitergefahren. Direkt auf das Ganggerl zu, wie das 26-jährige Bass-Mitglied behauptete: „Ich hatte keine Chance auszuweichen.“ Oder war es bloß die Sorge vor einem „Angriff auf sein Fahrzeug“, wie der Verteidiger spekulierte? Unstrittig war, dass sich das Ganggerl nach dem Sturz auf den Asphalt am Handgelenk verletzt hatte.

Beamte der Polizeiinspektion Berchtesgaden hatten wenige Stunden später keinen Schaden am Fahrzeug feststellen können, der auf einen „Anfahrschaden“ hindeutete. Genauer hinschauen sollte Dr. Andreas Thalhammer. Der Gutachter hat zwar einiges gefunden, jedoch praktisch keine Schäden oder „unstetige Kratzer“, die die Schilderung des Ganggerl bestätigen würden, denn mit Gürtelschnalle, Schellen und Trinkhorn auf der Motorhaube hängend, hätte man Spuren hinterlassen müssen. Der Sachverständige hatte nicht nur das Originalfahrzeug unter die Lupe genommen, sondern sogar an einem Vergleichsbus mit einem an Größe und Gewicht ähnlichen Probanden die Sache nachgestellt und davon rund 300 Bilder geschossen. Ein gutes Dutzend davon verteilte er im Großformat an alle Verfahrensbeteiligten.

„Hätte er bei mehr als 20 Buttenmandln aussteigen sollen, um zu diskutieren?“

Die Überraschung im Gerichtssaal: Richter Josef Haiker bat den Geschädigten, sein Original-Kostüm anzulegen, um mit den Beteiligten und dem Gutachter mögliche relevante Details zu erörtern. Am Fazit von Andreas Thalhammer änderte das nichts: „Falls das Geschehen so passiert ist wie vom Geschädigten geschildert, hätte das mehr Spuren hinterlassen.“ Diese Erkenntnis war unter anderem ein Argument von Rechtsanwalt Andreas Leicher, der dem Staatsanwalt und dem Nebenkläger-Anwalt widersprach. „Sie gehen von einem Unfall aus. Mein Mandant aber hat nur einen Schlag und Rutenschläge wahrgenommen.“ Und sei dann „ruhig weitergefahren“. Denn, so fragte der Verteidiger: „Hätte er bei mehr als 20 Buttenmandln aussteigen sollen, um – allen Ernstes – zu diskutieren?“ Das sei „lächerlich“, auch weil der Angeklagte bei anderer Gelegenheit bereits schlechte Erfahrung mit diesem „Brauchtum“ gemacht habe.

Staatsanwalt Thomas Wüst hatte alle Aussagen der insgesamt drei Verhandlungstage in den Blick genommen, und war zu dem Ergebnis gekommen, dass der ursprünglich angeklagte gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr nicht zu halten sei und durch eine fahrlässige Körperverletzung ersetzt werden müsse. Unstrittig war für Wüst das unerlaubte Entfernen vom Unfallort, da der Angeklagte selbst den „Schlag“ gegen sein Fahrzeug und die Rutenhiebe bestätigt habe. Die angeblich „schlechte Erfahrung“ könne das Verhalten jedenfalls nicht begründen. Wüst beantragte für den bislang unbescholtenen Soldaten eine Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 90 Euro.

Richter: „Buttenmandl sind keine Horde Wilder“

Hans-Jörg Schwarzer schloss sich als Vertreter des geschädigten Ganggerls dem Staatsanwalt an, betonte zudem ausdrücklich, dass man bei einem Unfall selbst ohne eigene Beteiligung bleiben müsse. Verteidiger Leicher wollte weiter davon ausgehen, dass an diesem Abend, „als 20 Buttenmandl bei Dunkelheit eine Bundesstraße überqueren wollten“, das Ganggerl „bewusst an das Fahrzeug heran gesprungen ist.“ Deshalb sei sein Mandant freizusprechen und die Kosten von der Staatskasse zu übernehmen.

Dieser Betrag ist beträchtlich, denn das Gericht entschied auf eine Geldstrafe von 8100 Euro. Dazu kommen die Kosten des Verfahrens und jene des Gutachters. Die Versicherung des Angeklagten hat die kaputte Maske mit 300 Euro entschädigt und für die erlittenen Schmerzen 200 Euro bezahlt. „Der Angeklagte selbst hat eingeräumt, er habe das Ganggerl am Außenspiegel hängen sehen“, mochte Josef Haiker dem Verteidiger nicht folgen. Es handle sich bei den Bassen des Talkessels auch „nicht um eine Horde Wilder“, sondern um Brauchtum, bei dem Kinder freudig auf den Nikolaus warteten. An den Soldaten gewandt, meinte der Strafrichter: „Sie sind alt genug, um keine Angst mehr vor dem Krampus zu haben.“ Anstatt des üblichen Führerscheinentzugs beließ es Haiker bei einem Fahrverbot von fünf Monaten.

Der Soldat muss zusätzlich mit Disziplinarmahnahmen seines Dienstherrn rechnen. Ob er in Berufung geht, wird der Soldat mit seinem Anwalt besprechen.

https://www.ovb-online.de/weltspiegel/bayern/amtsgericht-laufen-berufssoldat-31-gegen-buttnmandl-26-urteil-im-ungewoehnlichen-gerichtsstreit-gefallen-91850349.html

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