Streitereien unter Nachbarn sind keine Seltenheit. In Rosenheim eskalierte die Lage zwischen zwei Brüdern und einem Mann aus ihrer Nachbarschaft allerdings so weit, dass der Fall schließlich vor Gericht landet. Vorausgegangen war das Einschreiten des jüngeren Bruders – er hatte auf Hilfeschreie der Frau des Nachbarn reagiert.

Rosenheim – Aus einem länger zurückliegenden Streit zwischen zwei Brüdern und einem Mann aus ihrer Nachbarschaft in der Endorfer Au in Rosenheim wurde eine handfeste Auseinandersetzung, die nun vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Rosenheim ein Nachspiel hatte. Der Jüngere der beiden Brüder hatte Monate vorher eingegriffen, als die Ehefrau des Nachbarn, eines 34-jährigen Türken, um Hilfe schrie. Seither waren sich dieser und der heute 23-Jährige nicht mehr grün.

Als nun der 34-Jährige samt Familie am 26. Juni 2021 im Auto auf dem Nachhauseweg war und auf das Brüderpaar traf, wurde er nach eigener Aussage mehrmals vom Jüngeren mit einer Geste beleidigt. Daraufhin sei er aus dem Wagen gestiegen, um den Beleidiger zurechtzuweisen. Daraus habe sich schließlich eine Handgreiflichkeit entwickelt.

Lückenhafte Ermittlungen

Der Polizeistreife, die später hinzukam, erklärte der 34-Jährige, er sei von dem Brüderpaar aus der Nachbarschaft angegriffen und geschlagen worden. Zum Beweis führte er Kratz- und Schürfspuren an Hals und Kopf an.

Die Polizei war zwar in der Lage die Brüder ausfindig zu machen, weitere Augenzeugen konnte sie jedoch nicht ermitteln. So erfolgte im Mai 2022 eine Verhandlung gegen die Brüder. Weil sie angeblich zu zweit auf das Tatopfer eingeschlagen hatten, lautete die Anklage auf gefährliche Körperverletzung. Die Verteidiger Harald Baumgärtl und Andreas Leicher beantragten eine Aussetzung des Verfahrens, weil sie – im Gegensatz zur ermittelnden Staatsanwaltschaft – durchaus weitere Augenzeugen benennen konnten. Das Schöffengericht folgte diesem Antrag und so kam die Anklage im Januar 2023 erneut auf die Tagesordnung.

Bereits bei der Vernehmung der weiteren, durchaus neutralen Zeugen wurde deutlich, dass der Ältere der beiden Brüder überhaupt nicht tätlich geworden war, sondern lediglich vermittelnd und schlichtend eingegriffen hatte. „Bei diesem neuen Kenntnisstand hätte bereits im Vorfeld die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den älteren Bruder einstellen können, ja müssen“, sagte Rechtsanwalt Baumgärtl. „Damit hätte man unnötige Belastungen meines Mandanten und unnötige Kosten wegen der Bestellung eines Gutachters vermeiden können.“ Tatsächlich bestätigten alle Augenzeugen auch vor Gericht, dass der ältere Bruder lediglich schlichtend eingegriffen hatte.

Das vermeintliche 34-jährige Tatopfer hatte im Zeugenstand erhebliche Erinnerungslücken. Er habe sich beleidigt gefühlt, sagte der Mann vor Gericht. Insbesondere wegen der Gegenwart seiner Kinder hätte er den jüngeren Bruder zurechtweisen wollen. Es habe sich schließlich eine Schubserei entwickelt. Wer aber wen zuerst geschlagen hatte, daran konnte er sich nicht mehr erinnern. Auch an Schläge durch den älteren Bruder fehlte ihm nun jede Erinnerung.

Nachdem sich auch niemand an die Beleidigungen im Wortlaut erinnern konnte, blieb es beim Vorwurf der einfachen Körperverletzung. Diese sah die Vertreterin der Staatsanwaltschaft durch die Aussage des Tatopfers belegt. Sie beantragte eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten für den Jüngeren der Brüder. Wegen etlicher Vorstrafen wollte sie diese auch nicht zur Bewährung ausgesetzt sehen.

Keine Beweise, wer der Angreifer war

Rechtsanwalt Andreas Leicher wies diese Beweiswürdigung weit von sich. „Gegenseitige Schläge, ja – aber keiner weiß, wer angefangen hat. Sogar der Hauptbelastungszeuge erinnert sich nicht.“ Angesichts dieser Sachlage gebe es keinerlei bewiesene Tatsachen. Er beantragte einen klaren Freispruch. Harald Baumgärtl verwies nochmals auf die grundsätzliche Sinnlosigkeit der Anklage gegen seinen Mandanten und beantragte Freispruch für den älteren Bruder.

Das Gericht in Rosenheim kam zu der Auffassung, dass gegen keinen der beiden Brüder eine Verurteilung möglich sei. Der Ältere sei zweifelsfrei freizusprechen. Aber auch im Streit zwischen dem 34-Jährigen und dem jüngeren Bruder lasse sich nicht zweifelsfrei nachweisen, wer der Angreifer war und bei der Auseinandersetzung zuerst zugeschlagen habe. Beide Angeklagten wurden vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen.

 

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